23.11.2019 — 1.3.2020
Barbara Breitenfellner, Roland Dostal, Gintersdorfer / Klaßen, Robert Gschwantner, Hemauer / Keller, Klara Hobza, Nikolaus Lang, Antje Majewski / Olivier Guesselé-Garai, Christl Mudrak, Ulrike Ottinger, Laure Prouvost, Martin G. Schmid, Jaro Straub
Laure Prouvost, For Forgetting, Installationsansicht, New Museum, New York, 2014. Foto: Benoit Pailley. Mit Dank an die Künstlerin, Galerie Nathalie Obadia (Paris und Brüssel), carlier|gebauer (Berlin und Madrid) und Lisson Gallery (London, New York und Schanghai)
Barbara Breitenfellner, Matter (LC134), Inkjet Print auf Papier, 2019, courtesy of the artist und Lapin-Canard (Foto: Eric Tschernow)
Im Nachlass der Berliner Künstlerin Hannah Höch (1889 – 1978) in der Berlinischen Galerie befindet sich ein Konvolut von Schwarz-Weiß-Reproduktionen verschollener Collagen. Für diese Ausstellung haben Martin G. Schmid und Jaro Straub Künstler*innen eingeladen, diese verschollenen Collagen entsprechend der eigenen Arbeitsweise neu zu interpretieren.
Die MEWO Kunsthalle präsentiert einen Aspekt dieses reisenden, sich kontinuierlich entwickelnden Projekts und folgt damit den Ausstellungen ›Verschollene (Collagen von Hannah Höch)‹ im Kunstraum Scharaun in Berlin (2018) und ›Hallo Hannah‹ in der Shedhalle Zürich (2019), in welcher der Aspekt des künstlerisch-sozialen Prozesses besonders herausgearbeitet wurde.
Der Ausstellungstitel ›KARAVANE‹ ist ein Wortspiel der Collagekünstlerin Hannah Höch. Die Sport-Berger-Karawane aus den späten 1930er Jahren war ein zur damaligen Zeit sehr beliebter, nierenförmiger Wohnanhänger – im Volksmund auch »Wanderniere« genannt. Hannah Höch unternahm von 1937 bis 1940 etliche ausgedehnte Reisen. Mit ihrem 21 Jahre jüngeren Ehemann, dem Handlungsreisenden Kurt Heinz Matthies, fuhr sie in mehrmonatigen Touren mit dem Auto und ihrer »Karavane« durch bildschöne Landschaften und lebendige Städte in alle Himmelsrichtungen. In diesem freiheitlichen Roadmovie blitzt jedoch mitunter eine andere Seite auf. Hannah Höch wurde nach der Machtergreifung des Naziregimes mit Ausstellungsverbot belegt und konnte nicht emigrieren. Als »entartete Künstlerin« reiste sie durch das nationalsozialistische Deutschland, das faschistische Italien und die bedrohten Niederlande. Zahlreiche Tagebucheintragungen erzählen davon.
Gleichzeitig klingt noch ein anderer Name im Ausstellungstitel mit an. Dieser führt direkt zu den Anfängen des DADA – nämlich ins Zürcher Cabaret Voltaire. Das Lautgedicht Karawane (1916) von Hugo Ball markiert den Anfang einer langen Geschichte der Auflösung und gleichzeitigen Erweiterung der Sprache als Kunstform.
Alle eingeladenen künstlerischen Positionen vereint ein unmittelbar kreatives Verhältnis zur Collage sowie eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Reisen unter erschwerten Umständen. Über die künstlerische Neuinterpretation von Hannah Höchs verschollenen Collagen wird nicht nur Höchs Werk in einen aktuellen Kontext überführt, sondern erweitert sich dieses vielmehr zu einer Spurensuche des generell Verschollenen.
So repräsentiert zum Beispiel Ulrike Ottingers Stoffapplikation Modèle cybernétique (2019) in der Ausstellung exemplarisch die Suche nach dem Nicht-Mehr-Vorhandenen. Das nicht mehr auffindbare Gemälde Modèle cybernétique (1966/67; Holz, Plastik, Acryl) existiert nur mehr medial vermittelt als Fotografie und wurde von Ulrike Ottinger zuletzt 1967 in einer Ausstellung in der Bremer Galerie Werkstatt gezeigt. Seitdem gilt es als verschollen. Für die diesjähre Ausstellung ›Paris Calligramme‹ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin hat die Hannah-Höch-Preisträgerin Ottinger in der eigens für die Ausstellung eingerichteten Stoffwerkstatt dieses verloren gegangene Bild neu interpretiert.
Ulrike Ottinger, Modele cybernétique, Stoffapplikation, 2019, Paris Calligrammes: Ausstellungsansicht | © Silke Briel / HKW
Martin G. Schmid, Recollagierte Verschollene 22 von Hannah Höch, mit Holzkohle bezogen, 2018, courtesy of the artist
Jaro Straub, Wandbild CCHH Nr. 27, Scharaun, Shedhalle 2019, courtesy of the artist